Arbeitszeugnis: Geheimsprache entschlüsseln – Zeugnisanalyse

Zeugnisse sind in Deutschland immer noch ein wichtiger Bestandteil jeder Bewerbung, obwohl die Aussagekraft der Zeugnisse auch für Personalverantwortliche nur schwer einzuschätzen ist. So kommt es häufig vor, dass im Zuge eines Gerichtsprozesses von den Parteien ein „sehr gutes“ Zeugnis vereinbart wird, obwohl der Auslöser der Kündigung ein schweres Vergehen des Mitarbeiters in Sachen Leistung oder Führung war. Auf der anderen Seite gibt es auch schlechte Zeugnisse für sehr gute Mitarbeiter, die aber beim Zeugnisaussteller nicht sonderlich beliebt waren.

Es gibt übrigens ein sogenanntes einfaches Zeugnis und ein qualifiziertes Zeugnis. Ein einfaches Zeugnis wird in der Praxis ausgestellt, wenn die Beschäftigungsdauer nur wenige Monate betrug. Dieses einfache Zeugnis enthält nur die Angaben über die Dauer der Tätigkeit und die Funktion. Aussagen über die Leistung und Führung werden nicht getroffen, da dies wegen der Kürze des Beurteilungszeitraumes nicht möglich ist. Häufig werden einfache Zeugnisse in der Praxis auch Arbeitsbestätigung genannt und kommen z.B. bei Praktikanten zum Einsatz.

Am Ende eines längeren Arbeitsverhältnisses erhalten Sie aber immer ein qualifiziertes Zeugnis.

Zeugnisinhalte bei einem qualifizierten Zeugnis: Einleitung (Name, Eintrittsdatum), Werdegang im Unternehmen, Tätigkeitsbeschreibung (häufig in Aufzählungsform), Motivation, Arbeitsbefähigung, Fachkenntnisse, Arbeitsweise, Arbeitserfolg, Beispiele für Arbeitserfolg (z.B. Umsatzsteigerung von X%), Führungsverhalten (falls relevant), Zusammenfassung der Leistung (Gesamtnote), Auftreten und Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen, Auftreten und Verhalten gegenüber Externen (falls relevant), sonstiges Verhalten, Grund der Beendigung, Dankes- und Bedauernsformel, Wünsche für die Zukunft.

Achten Sie darauf, dass Sie als Gesamtnote zumindest ein „Gut“ erhalten. Wie Sie dies trotz Geheimsprache erkennen, erfahren Sie jetzt an den Beispielen für die zusammenfassende Leistungsbeurteilung (Gesamtnote) und anhand des Führungsverhaltens:

Die Kunst der Benotung – Zusammenfassung der Leistung:

Sehr gut: Herrn Mustermann erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.
Gut: Frau Mustermann erledigte ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit. (statt „vollsten“ nur noch „vollen“)
Befriedigend: Herr Mustermann erledigte seine Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit. („stets“ weggelassen)
Ausreichend: Frau Mustermann erledigte ihre Aufgaben zu unserer Zufriedenheit. („stets“ und „vollen“ weggelassen)
Mangelhaft: Herr Mustermann erledigte die ihm übertragenen Aufgaben in der Regel zu unserer Zufriedenheit.

Die Kunst der Benotung – Führung:

Sehr gut: Frau Mustermann verfügt über sehr hohe Führungskompetenz und motivierte ihre Mitarbeiter stets zu sehr guten Leistungen. Aufgaben und Verantwortung delegierte sie stets zielgenau.
Gut: Herr Mustermann überzeugte sein Team und förderte die Zusammenarbeit. Er informierte seine Mitarbeiter, regte Weiterbildung an und delegierte Aufgaben und Verantwortung und erreichte so ein hohes Abteilungsergebnis.
Befriedigend: Frau Mustermann führte ihr Team zielbewusst und konsequent zu voll befriedigenden Leistungen.
Ausreichend: Herr Mustermann setzte Mitarbeiter ihren Fähigkeiten entsprechend ordnungsgemäß ein und motivierte sie sachgemäß.
Mangelhaft: Frau Mustermann war sich stets der besonderen Verantwortung, die sich aus ihrer Führungsposition ergibt, bewusst. Sie erwartete, dass die Mitarbeiter sich jederzeit voll einsetzten.

Die Kunst des Weglassens:

In der oben beschriebenen Benotung der Leistung konnten Sie schon feststellen, welche Auswirkungen ein Weglassen von Wörtern bedeutet. Die gleiche Wirkung ergibt sich, wenn ganze Zeugnisinhalte fehlen. So wird ein an sich gutes Zeugnis durch das Weglassen z.B. der Bedauernsformel fast vollständig entwertet, da der Arbeitgeber damit zu verstehen gibt, dass er „erleichtert“ über das Ausscheiden des Mitarbeiters ist.

Die Kunst der wohlwollenden Beschreibung Ihrer Persönlichkeit:

Hier gibt es die wohl allseits bekannten Beispiele zum Alkoholkonsum eines Mitarbeiters oder über dessen Umgang mit dem anderen Geschlecht.

Hoher Alkoholkonsum: Frau Mustermann trug mit ihrem Verhalten zur Geselligkeit bei.
Auffällige Kontaktsuche: Herr Mustermann bewies Einfühlungsvermögen für die Belange der Belegschaft.

Übrigens, das oben geschriebenen gilt auch bei einem Zwischenzeugnis. Lassen Sie sich bei einer langjährigen Tätigkeit stets ein Zwischenzeugnis ausstellen – z.B. bei Stellenwechsel, Vorgesetztenwechsel, Beförderung usw. Häufig wird ein Zwischenzeugnis auch vor einer Weiterbildungsmaßnahme benötigt.

Hinweis: Rechtsberatung, auch in Fragen des Zeugnisrechts, ist laut Rechtsberatungsgesetz fachkundigen Personen wie z.B. Rechtsanwälten vorbehalten. Eine Rechtsberatung war mit dieser Form der Berichterstattung nie verbunden.